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Beschreibung und Historie einer ROKAL-Werksanlage für Händlerschaufenster

In einer ebay-Kleinanzeige wurde im Januar 2015 eine kleine ROKAL-Modellbahn angeboten, deren Besonderheiten erst bei einem zweiten Hinschauen offensichtlich wurden. Die angebotene, eigentlich recht unscheinbare “ROKAL-Eisenbahn auf Platte mit Schienen” zeigte in einigen Details große Ähnlichkeiten mit den Abbildungen auf den Umschlagseiten des letzten ROKAL-Katalogs 20/D aus dem Jahre 1969.
Nach der Kontaktaufnahme mit dem Anbieter wurde die Anlage wenige Tage später im mehr als 200 km entfernten Burbach bei Siegen besichtigt. Diese Besichtigung hielt am Ende noch eine große Überraschung bereit. Nach zähen Preisverhandlungen wurde die Modellbahn gekauft und heimwärts nach Lobberich transportiert. Was nun begann war eine spannende Detektivarbeit zur Vervollständigung der Anlagen-Historie mit überraschenden neuen Erkenntnissen zum ROKAL-Angebot für Händler in den letzten Produktionsjahren 1968/69. Aber beginnen wir am Anfang ...

rechts: Rückseite des ROKAL-Katalogs 20/D aus dem Jahre 1969. Das Bild zeigt - nach heutigem Kenntnisstand - einen Ausschnitt aus einer originalen ROKAL-Werksanlage, wie sie vom ROKAL-Werk zur Verwendung als Schaufenster- oder Vorführanlage über den Großhandel an die ROKAL-Händler geliefert wurde. Dieses “Fotomodell” wurde offensichtlich mit zusätzlichem ROKAL-Zubehör verschönert, das auf anderen Werksanlagen gleichen Typs sicherlich nicht verbaut wurde, bspw. die Oberleitungen, Lichtsignale sowie Beleuchtungsmasten. Die Brücke im Hintergrund blieb auch bei diesem “Fotomodell” für die Kataloggestaltung oberleitungsfrei.

Rückseite des Katalogs 20/D
Titelseite des ROKAL-Katalogs 20/D

links: Titelseite des letzten originalen ROKAL-Katalogs 20/D. Gut erkennbar sind die zusätzlich aufgestellten, nicht funktionierenden Leuchten und das dunkle Lichtsignal. Die Oberleitungen inklusive ihrer Masten wurden ebenfalls nur vorübergehend auf dem “Fotomodell” positioniert, um das Katalogtitelbild interessanter zu gestalten. Im Bildvordergrund sind die Oberleitungen über der V200 ausgehangen.

Zuerst einmal zurück zu unserem Fundstück aus Burbach mit einer Beschreibung. Die kleine Modellbahn besitzt einen einfachen Gleisplan aus Neusilbergleisen, bestehend aus zwei parallelen Gleisovalen sowie einen vom Innenkreis schräg nach innen verlaufenden, geraden Gleisabzweig mit dem Gleisende vor einem Prellbock an einer Lagerhalle. Vom äußeren Gleisoval führt ebenso eine Elektroweiche auf ein parallel verlegtes Abstellgleis im Bahnhofsbereich, das auf dem vorstehenden Katalogtitelbild links von der E03 zu erkennen ist. Der Gleisplan ist mit diesen beiden Gleisovalen, den beiden Abstellgleisen, zwei Elektroweichen und zwei Prellböcken vollständig beschrieben. Zwei ROKAL-Fahrregler 500051, die gemeinsam von einem grünen Zweizug-Trafo 500018 gespeist werden, erzeugen die beiden Fahrspannungen für die Gleisovale. Die Elektroweichen werden mit jeweils einem Wechselschalter mit gelbem Stellhebel 501681 geschaltet. Dies ist die gesamte verbaute Modellbahntechnik. Lichtsignale, Beleuchtungen (Maste oder Laternen) oder Oberleitungen sucht man auf dieser Anlage vergebens und waren dort auch niemals verbaut.

Die Anlagenfläche beträgt 161 cm x 83 cm. Die Modellbahn besitzt eine sehr interessante Topografie mit drei Ebenen, realisiert durch zwei große, knapp 5 mm dicke Sperrholzplatten, die in einem Abstand von 4 cm montiert sind und die Plattendicke von 5 cm bilden. Auf der oberen Sperrholzplatte ist die Gleisebene mit dem Bahnhofsbereich, der Lagerhalle und der Eisenbahnbrücke gestaltet. Zwischen Eisenbahnbrücke und Lagerhalle ist die obere Platte ausgeschnitten und gibt den Blick frei auf die Landschaftsgestaltung in einer tiefer gelegenen Ebene. Auf der 4 cm tiefer gelegenen unteren Sperrholzplatte ist der See und ein Bergdorf aus N-Häuschen um das Seeufer herum gestaltet. Ein flach angelegter Hügel mit Eisenbahntunnel bildet die dritte Ebene der interessanten und mit nur wenigen Mitteln gestalteten Landschaftstopografie. Die Verwendung von N-Häuschen in der unteren Ebene vermittelt eine gewisse Tiefenwirkung. Die Breite der aufgemalten Straßen und Wege sind maßstäblich als auch perspektivisch absolut stimmig gewählt.
Den Hintergrund bildet ein nach gemalter Vorlage gedrucktes, ebenso auf einer Sperrholzplatte geklebtes Hintergrundbild, das die Anlagengrundfläche der oberen Sperrholzplatte um 15 cm überragt und die gesamte Anlagenbreite einnimmt. Der See, das Seeufer und die Straßen sind mit Farbe direkt auf die Sperrholzplatten aufgemalt, ebenso die rotbraunen Gleisschotterflächen. Die Grasflächen sind als Grasmatten aufgeklebt, die zur realistischen Darstellung nicht in Teilflächen zugeschnitten, sondern gerissen wurde. Durch das Aufkleben dieser Teilflächen mit ihren unregelmäßigen Kanten in kleinen Abständen ergeben sich kleine Wege, die durch die Wiesen führen.
Die kleine Modellbahn zeigt sich zwar soweit vollständig und ohne Fehlteile, der allgemeine Zustand erfordert aber wegen einiger Beschädigungen eine Renovierung der Landschaftsgestaltung. Eine gründliche Entstaubung mit einem Staubsauger war der erste Schritt zu einer erfolgreichen Renovierung der Modellbah
n.

rechts: Blick auf den kleinen Bahnhof der Werksanlage aus ähnlicher Perspektive wie bei der obigen Katalog-Rückseite. Im Hintergrund ist die Eisenbahnbrücke über den See zu sehen in gleicher topografischer Gleis-Ebene wie der Bahnhof im Vordergrund und der dahinter liegende Abzweig zur Lagerhalle. Das gedruckte Hintergrundbild entspricht exakt der Abbildung auf dem Katalog. Das kleine ROKAL-Schild ist aus einer Lasche einer ROKAL-Gleisverpackung jener Zeit ausgeschnitten, ebenso das ROKAL-Schild über dem Brückenpfeiler im Hintergrund.

Der kleine Bahnhof der Werksanlage
Werksanlage mit Bahnhof-Rückseite

links: Der kleine Bahnhof auf der Werksanlage von seiner Rückseite betrachtet. Im Hintergrund eine V60 auf dem Abstellgleis vor dem Bahnhof.

Man erkennt sofort, dass der Bahnhof auf der Katalog-Rückseite nicht mit dem Bahnhof der Werksanlage übereinstimmt. Auf eine Nachfrage im Forum Alte Modellbahnen kam rasch der Hinweis auf den Modellbahnzubehör-Hersteller WIAD. Anfang der 1950er Jahre gründete der bekannte Modellbahn-Konstrukteur und Erfinder Willy Ade gemeinsam mit zwei befreundeten Partnern die Firma WIAD (Willy Ade). WIAD produzierte u.a. gespritzte Kunststoffmodelle wie Gebäudemodelle mit beweglichen Fensterläden. Nach dem Tod seiner beiden Partner verkaufte Willy Ade WIAD und gründete 1959 zusammen mit Horst Röchling die Röwa Plastic GmbH in Unterensingen am Neckar. Röwa sollte ab 1972 die Produktion der ROKAL-TT Modelleisenbahn übernehmen, wozu es aber wegen dem ROKAL-Konkurs nicht mehr kam. Willy Ade starb am 27. Mai 2011.
WIAD firmierte nach dem Verkauf von Willy Ade bis 1964 als “WIAD Modellspielwarenfabrik, Inh. Erich Müller, Eßlingen-Aichschieß”. Der Katalog 1965 wies den Hersteller als “Modellspielwaren- u. Werkzeugfabrik Fahrion u. Co, Esslingen-Aichschieß” aus. Im späteren(?) “Katalog Nr. 11” bewarb eine “WIAD Kopp KG” in Stuttgart-Bad Cannstatt ein immer noch recht vollständiges WIAD-Modellprogramm vermutlich für einen Abverkauf der Lagerbestände bis in die 1970er Jahre hinein.

WIAD-Bahnhof Schönbuch

links: Beim kleinen modernen Bahnhofsgebäude auf den Umschlagseiten des ROKAL-Katalogs 20/D handelt es sich um das WIAD-Modell 559 Schönbuch, das der Hersteller als Fertigmodell (A) oder Bausatz (B) angeboten hat (Abbildung aus dem WIAD-Katalog Nr. 11).

Bungalow 1016 aus dem WIAD-Katalog 11

rechts: Der kleine, mehrteilige Vorstadtbahnhof auf der gekauften Werksanlage ist in den vorliegenden WIAD-Katalogen nicht zu finden. Aber halt, was ist das? Auf den weiteren Katalogseiten ist ein Bungalow “Malmö” abgebildet, den WIAD unter der Artikelnummer 1016 offeriert und der dem gesuchten Bahnhofsgebäude auffallend ähnlich ist. Und richtig, auch dieses Gebäude ist ein zweckentfremdetes WIAD-Modell. Man beachte die veränderte Position des Rankengitters, der entfallende Außenkamin und der Ersatz des Erkerfensters durch eine Flügeltüre. So (unten) sieht das unveränderte Hausmodell in natura aus ...

WIAD-Haus 1016, Frontseite
WIAD-Haus 1016, Rückseite
Die Lagerhalle am Ladegleis der Werksanlage
WIAD-Haus 1016, Seitenansicht WIAD-Haus 1016, Unterseite

[Fotos vom WIAD-Haus Nr. 1060: Dieter Friedrich]

links: Die Lagerhalle am Gleisabzweig vom inneren Gleisoval besteht aus dem Erdgeschoss des WIAD-Bausatzes B1060, wie die Packungsabbildung (unten) beweist. Das Obergeschoss befindet sich auf der Werksanlage als Güterschuppen neben dem Bahnhof.

Packung WIAD-Lagerhalle B1060

Der kleine graue Geräteschuppen neben dem Bahnhof der Werksanlage entstammt anscheinend dem WIAD-Bausatz B576, einem kleinen Bahnwärterhaus mit eben diesem kleinen angebauten Verschlag.

Weitere Detailfotos und eine Totalansicht der ROKAL-Werksanlage werden nach der Renovierung und Präsentation dieser historischen Modellbahn auf unserer Veranstaltung Total ROKAL im März 2016 veröffentlicht. Wer diese interessante ROKAL-Anlage in natura und im Fahrbetrieb bestaunen möchte, ist herzlich zu einem Besuch dieser Veranstaltung eingeladen! Bis bald im Parkstübchen in Hinsbeck!

Jens

Der Erbauer dieser Werksanlage ist der Künstler und Maler Manfred Robert Lünenschloss, wie zwei jeweils in Kreuzform aufgebrachte Stempelungen auf der Hintergrund-Rückseite und der Anlagenunterseite belegen ...

Stempel M. R. Lünenschloss

Laut einem kurzen Hinweis in einem Artikel der Lokalpresse zum Tod von M. R. Lünenschloss, der am 28. Juli 2012 in seinem 89. Lebensjahr verstarb, arbeitete der Künstler seit Beginn der 1960er Jahre als selbstständiger Spielzeughersteller, ab 1968 dann an seinem damals neuen Wohnort in Gschwend im Schwäbischen Wald. Sein Spezialgebiet waren Modelleisenbahnen, wovon er gut 4.000 (!) Exemplare angefertigt haben soll. Später entwarf er auch Holzspielgeräte und baute für ein Stuttgarter Architekturbüro Modelle. 1982 entdeckte Lünenschloss, Zeit seines Lebens ein künstlerisch talentierter, kreativer Schaffer, das Malen als Beruf.
Die recht hohe Zahl produzierter Modellbahnen ist ein Hinweis darauf, dass Lünenschloss nicht nur im Auftrag der ROKAL GmbH in Lobberich arbeitete, sondern auch für andere Modellbahnhersteller tätig war. Die mit Abstand meisten Modellbahnen fertigte er für die Marke Arnold rapido (Spur N).

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M. R. Lünenschloss beim Schiffsmodellbau Gemälde von M. R. Lünenschloss WIAD-Bahnhof Schurwald

Manfred R. Lünenschloss beim Schiffsmodellbau zum Beginn der 1960er Jahre. [undatiertes Foto: Fam. Lünenschloss]

Ausschnitt aus einem Gemälde von Manfred R. Lünenschloss.

Der Bahnhof Schurwald aus dem WIAD-Programm, in diesem Bild aus dem WIAD- Katalog Nr. 12 vor dem von M. R. Lünenschloss gemalten Hintergrund positioniert.

Der Vergleich mit einem seiner Gemälde lässt vermuten, dass Lünenschloss selbst den Hintergrund der ROKAL-Werksanlage und des Bahnhofs Schurwald im WIAD-Katalog Nr. 12 malte. Dieses Gemälde wurde dann zwecks Nutzung als Hintergrund auf zahlreichen Modellbahnen und zur einfachen Vervielfältigung drucktechnisch aufgearbeitet und farbig auf Papier gedruckt. Die so vervielfältigten Landschaftsbilder wurden dann als eine Art Bildtapete auf eine senkrecht montierte, dünne Holzplatte geklebt und als Modellbahnhintergrund verwendet.

Wohl wegen der geringen Entfernung seiner Werkstatt zum WIAD-Produktionsstandort in Esslingen, verwendete Lünenschloss auf der ROKAL-Werksanlage ausschließlich Modellhäuser des Herstellers WIAD, die er wahrscheinlich “ab Werk” bezog. Die Zusammenarbeit des Künstlers Lünenschloss und der Firma WIAD wird durch die vielen kreativen Vorschläge in den WIAD-Katalogen zur Kombination der angebotenen Häusermodelle zu neuen “Ensembles” (wie im Falle des besonderen Werksanlagen-Bahnhofs) als auch die Verwendung des Lünenschloss-Hintergrundbildes in der Katalogabbildung des Bahnhofs Schurwald deutlich.

rechts: Auch dieser WIAD-Bausatz Nr. 1008 “Bergdorf” wurde von M. R. Lünenschloss auf der Werksanlage verbaut. Die N-Modellhäuschen stehen im hinteren Anlagenbereich und erhöhen durch ihre geringere Größe die Tiefenwirkung beim Betrachten der Modellbahn. Die Abbildung ist dem WIAD-Katalog Nr. 12 entnommen.

WIAD-Bausatz 1008 Bergdorf

Aufgrund der gestalterischen Ausführung, wie die Begrünung durch Grasmatten und deren gleichmäßigem Abstand zu den Gleisen und den Fahrreglern, sind die ROKAL-Modellbahnen aus Lünenschloss-Produktion sicherlich komplett fertigt montiert, also inklusive Gleismaterial, Fahrregler und eventuell gleich auch grünem Zweizug-Transformator ans Werk geliefert worden. Da sich bspw. die Konturen des aufgemalten Sees auf den Katalogrückseite und auf der aufgefundenen Werksanlage bis in Details sehr ähneln, ist davon auszugehen, dass Manfred R. Lünenschloss in seiner Werkstatt mehrere Modellbahnanlagen parallel bearbeitete und ggf. Schablonen benutzte. So wurde mit einmal geöffneter blauer Farbdose und einem Pinsel gleich auf mehrere Anlagengrundplatten ein immer gleichförmiger See aufgemalt. In einer solchen “Fließbandarbeit” konnte mit einem recht überschaubaren Materialeinsatz (zwei große Sperrholzplatten, Holzleisten, einige Farben, diverse Modellhäuser, Schienenmaterial, Grasmatten, einer Bildtapete, Nägel und Leim) zu vergleichsweise geringen Kosten eine schöne Demo-Anlage für einen Zweizug-Fahrbetrieb in Händler-Schaufenstern hergestellt werden.

Die geringen Herstellkosten waren sicherlich auch der Grund dafür, dass gegen Ende der 1960er Jahre zur Zeit der 4. Gleisgeneration (Neusilber-Vollprofilgleise), d.h. kurz vor dem Ende der Modellbahnproduktion im Hause ROKAL, M. R. Lünenschloss mit der Produktion dieser Art Werksschauanlagen beauftragt wurde und nicht mehr die hochpreisigen Tiefzieh-Kunststoffanlagen auf Basis eines Fertiggeländes der Firma Noch, wie sie den Händlern zum Beginn der 1960er Jahre als “ROKAL-Schauanlage 01950” (siehe Seite 28/29 im Katalog 21/D des Lobberland e.V., Informationen unter “Literatur”) angeboten wurden, zum Einsatz kamen.

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Doch nun zurück zum Anfang dieser Seite, zur erwähnten Überraschung am Ende der Verkaufsverhandlungen mit dem Anbieter der Modellbahn und damit zur Historie dieser Werksanlage aus dem Hause ROKAL. Nachdem die Anlage schon bezahlt und im Auto verstaut war, erinnerte die Ehefrau des Anbieters ihren Mann daran, dass es da noch zwei größere “Platten” geben würde, die man als Staubschutz-Abdeckung für die aufgestellte Modellbahnanlage nutzen könnte und mit dieser von einem Nachbarn übernommen wurde. Der Anbieter, ein Landwirt, erläuterte uns, dass die betreffenden Abdeckungen in seiner Scheune stehen würden und er sie uns gegen einen Aufpreis mitgeben könnte. Zwecks Besichtigung dieses merkwürdigen Angebotes folgten wir dem radelnden Landwirt im Schritttempo mit dem Pkw über einen Wirtschaftsweg durch hügelige Wiesen im Siegerland und hielten an zwei offenen Scheunen, die eine mit landwirtschaftlichem Gerät, die andere mit gepressten Heuquadern. Aus dem Heulager zog der Anbieter nun zwei größere, aber recht alte Hartfaserplatten heraus. Die erste war wegen eines Wasserschadens nass, aufgequollen und stark wellig. Die andere durften wir wegen des augenscheinlich ebenfalls schlechten Zustands umsonst mitnehmen.

Zuhause eingetroffen wurde die Modellbahn mitsamt der ominösen “Abdeckplatte” entladen und genauer inspiziert. Zu unserer großen Überraschung stellte sich heraus, dass es sich bei diesen “Platten” um Teile der originalen Versandkiste handeln musste, in der diese Werksanlage am 26. August 1969 von der ROKAL GmbH per Bahnfracht am Lobbericher Bahnhof aufgegeben wurde. Adressat war die Siegener Filiale des Oldenburger Großhändlers Johann Lehmkuhl. Die mitgegebene Hartfaserplatte war der Deckel der Versandkiste und besaß noch den historischen Bahnfracht-Aufkleber sowie den mit Pinsel in grüner Farbe freihändig aufgetragenen Hinweis “Vorsicht!” sowie “ROKAL Modell-Eisenbahn”. Ein Teil der Historie dieser Werksanlage war damit wieder komplett ...

Warnhinweis zum Inhalt der Frachtkiste Bahnfracht-Adressaufkleber

Der aufgepinselte grüne Warnhinweis “Vorsicht!” und der Bahnfracht- Adressaufkleber auf dem originalen Frachtkistendeckel der Werksanlage, der über einen älteren Bahnfrachtaufkleber geklebt ist.

Oben der Bahnfracht-Adressaufkleber mit dem Versanddatum und der Empfängeradresse im Detail, unten die Siegener Filiale des Oldenburger Großhandelsunternehmen Johann Lehmkuhl, der Adressat der Bahnfracht aus dem Lobbericher ROKAL-Werk.[Foto: Lehmkuhl]

Aufschrift Frachtkiste

Hier war kein Künstler aus der ROKAL-Versandabteilung am Werk, dies ist die “Handschrift” von Manfred R. Lünenschloss!

Die Lehmkuhl-Filiale in Siegen

Die Filiale der Großhandlung Johann Lehmkuhl in Siegen wurde am 1. Oktober 1931 eröffnet. 1972 wurde der Geschäftsbetrieb in Siegen eingestellt und das Geschäftshaus in der Austraße 5 abgerissen, weil es der Verbreiterung einer vielbefahrenen Straße zum Bahnhof weichen musste. Das vorstehende Bild stammt aus einer Jubiläumsschrift des Unternehmens. Es wurden die Sortimente Fahrräder und Elektro geführt. Die Firma Johann Lehmkuhl mit Zentrale in Oldenburg wurde 1991 an die Famo GmbH verkauft.

Lehmkuhl hat ROKAL-TT Modelleisenbahnen an Spielzeugfachgeschäfte und Fahrradhändler vertrieben. Für die Fahrradhändler war ROKAL ein “Wintergeschäft”. Im Jahre 1973 wurden die ROKAL-Restbestände bei Lehmkuhl aufgelöst.

Da es bei Lehmkuhl keine Unterlagen aus der Siegener Zeit mehr gibt, bleibt der Empfänger der in Burbach gefundenen Werksanlage unbekannt. Wahrscheinlich wurde die Modellbahn im August oder September 1969 an einen Spielzeug- oder Fahrradfachhändler im Großraum Siegen geliefert und dort als Schauanlage in den Ausstellungsräumen oder im Schaufenster verwendet. Die Spur der ROKAL-Werksanlage verliert sich leider 1969 beim Großhändler Lehmkuhl in Siegen, bis sie im Januar 2015 in Burbach unter den geschilderten Umständen wieder auftauchte ...

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Ergänzung vom November 2015: Nachdem ein netter Kontakt zur Familie Lünenschloss hergestellt werden konnte und man dort freundlicherweise alte Dokumente nach den Kontakten zur Firma ROKAL durchsucht hatte, ergänzt nun die folgende Korrespondenz zwischen Manfred R. Lünenschloss und der ROKAL GmbH in Lobberich das Wissen über diese Werksanlage. Fünf Schriftstücke dokumentieren die Art und den Umfang der Zusammenarbeit zwischen Lünenschloss und der ROKAL-Modellbahnabteilung ...

Rechnung_5_1968
Angebot_2_1968

Gemäß den vorstehenden Dokumenten nahm Manfred R. Lünenschloss auf der Nürnberger Spielwaren-Messe 1968 Kontakt zur ROKAL GmbH auf. Er erhielt daraufhin den Auftrag zum Bau einer Musteranlage, die am 22. Mai 1968 vom ROKAL-Mitarbeiter Kurt Hey in Backnang-Lutzenberg abgeholt und von Lünenschloss in Rechnung gestellt wurde. Lünenschloss lieferte immer schnell, sauber und termingerecht”.

Bestellung_8_1968

Mit seinem Schreiben vom 21. August 1968 (links) kündigte Hans Rameckers, damals kaufmännischer Leiter der Modellbahn-Abteilung, einen Auftrag über den Bau von “fünf repräsentativen Schauanlagen” an. Das Gleismaterial (und die Fahrregler!) wurde von ROKAL beigestellt, ebenso selbstklebende, grüne ROKAL-Schriftzüge, wie sie auch in den letzten Zugpackungen verwendet wurden. Das Schreiben ist an Lünenschloss’ neue Anschrift in Gschwend adressiert. In seinem Vermerk versuchte Lünenschloss die Unterschrift von Rameckers zu entschlüsseln (“Brennecker?”).

Die Rechnung vom 1. Oktober 1968 (unten links) belegt die Lieferung von fünf ROKAL-Modelleisenbahnanlagen zum Stückpreis von DM 195,- (EUR 100,00) zzgl. fünf Transportkisten und den Transport bis Bahnhof Fichtenberg, die nächste Bahnfrachtstation ab Gschwend. Die Kisten wurden dann als Bahnfracht-Einzelstücke nach Lobberich versendet.

Per Rechnung vom 20. Januar 1969 (unten rechts) berechnete Lünenschloss der ROKAL GmbH die Anfertigung und Lieferung von drei “Messe-Modellbahn-Anlagen laut vorgeschriebener Größe” plus drei Versandkisten. Ein Rechnungsposten “Frachtkosten” fehlt.

Die in Burbach gefundene ROKAL-Werksanlage hat die Maße 161 cm x 83 cm, der Transportkistendeckel zwei überklebte(!) Bahnfrachtaufkleber, den zweiten vom Absender ROKAL GmbH an den Empfänger Großhandlung Johann Lehmkuhl in Siegen.
Die vorliegenden Dokumente belegen den Bau von einer ROKAL-Musteranlage sowie fünf “Serienanlagen” plus drei “Messe-Anlagen”. Die Musteranlage hat abweichende Maße und eine kleinere Fläche. Die Transportkisten der drei im Januar 1969 gelieferten “Messe-Anlagen” hatten wahrscheinlich nur einen Bahnfrachtaufkleber, da sie mutmaßlich in Gschwend abgeholt wurden.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass unsere ROKAL-Werksanlage wegen der zwei Bahnfrachtaufkleber eine der fünf Modelleisenbahnanlagen aus der Lieferung von Anfang Oktober 1968 ist.

Die Zusammenarbeit zwischen Lünenschloss und ROKAL endete nach nur neun gelieferten Modellbahnanlagen und knapp einem Jahr wegen der Reduzierung und kurzzeitig späteren Einstellung der Modellbahnproduktion im Lobbericher ROKAL-Werk aus betriebswirtschaftlichen Gründen.

Weisse_Linie
Rechnung_1_1969
Rechnung_10_1968
Weisse_Linie
Skizze_ROKAL-Anlage
Messeausweis_1968

Zwei sehr interessante Fundstücke aus dem Nachlass: Lünenschloss’ Einkäuferausweis von der Internationalen Spielwarenmesse Nürnberg im Februar 1968 (links, noch mit der alten Anschrift in Lutzenberg) sowie eine undatierte Skizze mit dem Entwurf der ROKAL-Werksanlage (rechts).

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Aus dem Nachlass von Manfred R. Lünenschloss stellte seine Familie eine zurechtgesägte Spanplatte mit ungleichmäßiger Kontur, der aufgepinselten Kennzeichnung “ROKAL ‘68 / Typ 175” und einigen per Bleistift aufgekritzelten Maßangaben zur Verfügung. Es ist die Schablone zum “Kopieren” der Ausschnittkontur der oberen Spanplatte (siehe “Beschreibung” am Anfang dieser Seite)! Die vermerkten Bleistiftmaße geben die exakte Position der Schablone auf der oberen Anlagenplatte an, d.h. die Abstände der Schablonenkontur an den betreffenden Stellen zur Anlagenplattenkante. Es wäre sogar möglich, dass diese Schablone dem Ausschnitt der ersten der fünf gelieferten Lünenschloss-ROKAL-Modellbahnanlagen entspricht und damit gegebenenfalls sogar von der vorgestellten Werksanlage stammt!
Es ist schon sehr erstaunlich, dass diese Schablone als auch der Transportkistendeckel unabhängig voneinander eine solch lange Zeit aufbewahrt wurden und die 47 Jahre in einem so guten Zustand überstanden haben!

Schablone_Total
Schablone_Detail

Die Schnittschablone mit ihren Außenkonturen (links) und die Beschriftung im Detail (oben).

Bei der Recherche zur Historie dieser besonderen ROKAL-Modellbahn wurden zahlreiche Quellen gesichtet, Zeitzeugen befragt und Informationen gesammelt. Der Eigentümer der Anlage und Betreiber dieser Website würde sich über jede zusätzliche Information zu ROKAL-Werksschauanlagen dieser Art freuen. Die Kontaktdaten finden sich im Impressum dieser Website. Vielen Dank.

Jens
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